Entstehung und Herkunft des Working Kelpie
Ursprung der Rasse
Zwischen 1860 und 1890 stieg in Australien die Zahl der Schafe gewaltig von ca. 5 auf über 60 Millionen Tiere an. Es entstanden mehr und mehr riesige Schaffarmen mit Beständen von mehreren 1000 Schafen, die auf riesigen Flächen weideten. Diese Umstände machten den Einsatz von effektiv arbeitenden Hütehunden notwendig, die gut mit dem extremen Klima und den großen Distanzen zurecht kamen. Zunächst wurden Hunde verschiedenster Herkunft verwendet, die von den Einwanderern aus den verschiedensten Ländern mitgebracht worden waren. Jedoch waren die meisten Hunde wenig geeignet, unter den extremen klimatischen Bedingungen große Herden effektiv über weite Distanzen zu bewegen. Die Schafhalter suchten also nach Hunden, die die gestellten Anforderungen möglichst gut erfüllen sollten.
Etwa ab 1870 wurden mehrere black and tan Collies (allgemeine Bezeichnung für Hütehunde in England) mit Stockhaar und überwiegend Stehohren aus England nach Australien importiert. Diese Hunde bewährten sich sehr gut bei der täglichen Arbeit auf den Farmen. Eine Hündin, die ein Nachkomme von solchen Collies war, wurde von Ihrem Besitzer Kelpie genannt (der Name Kelpie stammt aus dem Keltischen und bedeutet frei übersetzt Wassergeist). Eine Tochter von Kelpie wurde wiederum Kelpie genannt. Diese Hündin belegte bei einem berühmten Hütewettbewerb den 1. Rang zusammen mit einem anderen Hund. Natürlich waren ihre Welpen nach diesem Erfolg sehr gefragt. Sie würden als Kelpie’s Welpen oder nur als Kelpies bezeichnet, dieser Name hat sich bis heute erhalten und wurde zum Namen dieser Hunderasse.
Es gibt Gerüchte, dass bei den aus England importierten Hunden Fuchs eingekreuzt sein sollte. Außerdem gibt es Vermutungen, dass in Australien Dingos, andere Collies (z.B. Border Collies) und noch andere Rassen wie z.B. Deutsche Schäferhunde vereinzelt eingekreuzt worden sein sollen. Hierüber gibt es aber keine belegten Aufzeichnungen und nachprüfbare Beweise. Zumindest die Einkreuzung von Füchsen ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft mehr als unwahrscheinlich. Auch ein hoher Anteil an Dingogenen hätte sich sicherlich negativ auf die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Menschen ausgewirkt und auch noch andere, sich auf die Hütearbeit nachteilig auswirkende Verhaltensweisen verstärkt.
Die sehr gute Toleranz des Kelpie gegenüber Hitze und das vereinzelte Auftreten von „dingofarbenen“ Tieren in der Kelpiepopulation, haben sicherlich zur Entstehung dieser Vermutungen beigetragen. Eine Einkreuzung von Dingos lässt sich sicherlich aber auch nicht gänzlich ausschließen. Jedoch muss davon ausgegangen werden, dass im heutigen Kelpie, wenn überhaupt, nur ein sehr geringer Anteil an Dingogenen zu finden sein dürfte. Dass übermäßig deutsche Schäferhunde eingekreuzt wurden, ist auch nicht anzunehmen, da diese Rasse früher in Australien bei den Schafhaltern einen sehr schlechten Ruf hatte.
Eigentlich ist es auch nicht in erster Linie ausschlaggebend, welche Hunde welcher Rassen oder auch Nicht-Rassen bei der Entstehung des Working Kelpie beteiligt waren. Denn bei der Entstehung einer Arbeitsrasse ist alles erfolgreich, was die Rasse dem Hauptziel, nämlich der Verbesserung und Festigung der entsprechend erwünschten Arbeitsanlagen, näher bringt. Auf dem Weg dorthin sind sowohl die Einkreuzung von Individuen anderer Rassen oder Mischungen, als auch Linienzucht und extreme Inzucht innerhalb der Rasse denkbar und möglich. Beim Working Kelpie wurde wohl das Zuchtziel erreicht: Die Schaffung eines intelligenten und selbständigen Arbeitshundes, der gut mit dem australischen Klima zurecht kommt und für alle alltäglichen Arbeiten mit Vieh hervorragend einsetzbar ist. Ein guter Arbeitshund ist eine große Hilfe für einen Farmer und hilft mit, die Viehhaltung rentabel zu gestalten.
Arbeitsweise und Einsatzmöglichkeiten des Working Kelpie
Die Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten
Die Anpassung des Arbeitsstils und der Arbeitsweise an die jeweilige Situation (z.B. viel oder wenig Schafe, ruhige oder nervöse Tiere) ist ein wichtiges Merkmal eines Kelpies. Das bedeutet grundsätzlich, dass sich der Kelpie an großen Herden mehr frei bewegt und weniger Stil zeigt. Für die Arbeit an kleinen Gruppen jedoch genügend Stil besitzen sollte, um sie zusammen halten zu können und zu kontrollieren. Der Kelpie ist vielseitig einsetzbar: Zum Beispiel zur Koppelarbeit mit großen und kleine Gruppenoder Pfercharbeit (z.B. Arbeit in der Sortieranlage).Er hat eine natürliche Anlage zum „Backing“ (die Fähigkeit über die Schafe zu laufen) und zum kontrollierten Bellen. Wichtig ist die Nutzung der natürlichen Anlagen und speziellen Begabungen eines jeden Hundes.
Natürlich wünscht sich jeder den Allroundhund, der in jeder Arbeitssituation ohne viel Training brilliert. Dem Normalfall entspricht aber eher, dass jeder Hund Gebiete hat, die er von sich aus besonders gut bewältigt und andere Dinge muss man ihm eher vermitteln und ihn darin schulen. Sehr interessant ist auch, dass selbst Kelpies aus dem gleichen Wurf vom Arbeitstil her recht unterschiedlich sein können. Von Hunden, die von sich aus eher mit viel Stil, Auge und Distanz arbeiten, hin zu Hunden mit weniger Stil und Auge, die meist auch dichter am Vieh arbeiten wollen. Kelpies sollen Vieh ruhig arbeiten können, ohne zu viel Stress auf die Tiere auszuüben. Wenn es die Situation erfordert, sollen sie jedoch in der Lage sein, Druck zu machen und durch einen direkteren Arbeitsstil Tiere bewegen.
Kelpie ist nicht gleich Kelpie!
Bereits um 1900 wurden die ersten Kelpies auf Hundeausstellungen gezeigt. Um 1920 gab es schon wesentlich mehr Kelpies, die im Showring gezeigt wurden. Im Laufe der Zeit entstanden immer mehr Zuchten, die nicht mehr ausschließlich auf gute Arbeits/Hüteeigenschaften selektierten, sondern vornehmlich Hunde mit hervorragenden Ausstellungsresultaten als Zuchttiere auswählten und deren Zuchttiere nicht mehr in der täglichen Arbeit am Vieh beweisen mussten, dass sie nützliche und effektiv arbeitende Hütehunde sind.
Durch die veränderten Zuchtziele entstand so allmählich ein Typ Kelpie, der sich sowohl optisch als auch von den genetisch angelegten Hüteanlagen her immer mehr vom, weiterhin rein auf Arbeitsleistung selektierten, Kelpie zu unterscheiden begann. Ebenso fand bei den Kelpies, die für den Ausstellungsring gezüchtet wurden, eine Konzentration vor allem auf einfarbig braun und teilweise einfarbig schwarz statt. Beim Working Kelpie wurde weiterhin nicht auf spezielle Farben selektiert. Jedoch der Großteil der Hunde waren „black and tan“ und „red and tan“ und sind es auch heute noch. Auffällig ist auch, dass der Typ Kelpie für den Showring heute in der Regel kürzere Laufknochen und im Verhältnis einen massigeren Körper mit kürzerem Rücken aufweist als der Working Kelpie.
2 Rassen – 2 Zuchtverbände
Das Working Kelpie Council führt das Zuchtbuch für den Working Kelpie in Australien und hat einen Rassestandard. Eslegt keinen Wert auf Beurteilungen der Hunde nach dem Formwert und organisiert deshalb auch keine Ausstellungen, sondern nur Hütewettbewerbe. Der ANKC hat einen eigenen Rassestandard für den Australian Kelpie. Man könnte also sagen, dass sich die 2 unterschiedlichen Typen von Kelpies durch die unterschiedlichen Selektionskriterien, sowohl von der äußeren Erscheinung, als auch von Arbeitseigenschaften, so weit voneinander entfernt haben, dass es sich mittlerweile um 2 verschiedene Kelpietypen handelt. Diese beiden Kelpietypen werden weitgehend getrennt voneinander weitergezüchtet. Gebräuchliche Begriffe sind heute deshalb Working Kelpie für den ursprünglichen, weiterhin als reinen Arbeitshund gezüchteten Kelpie und der nach ANKC und FCI anerkannte Australian Kelpie, der auch als Showkelpie bezeichnet wird.
Dies ist ein eindrückliches Beispiel, wie sich durch unterschiedliche Ziele in der Zuchtauswahl in wenigen Jahrzehnten aus einer Ausgangsrasse 2 unterschiedliche Hundetypen entwickeln können. Als Folge der Teilung ergab sich auch, dass der Australian Kelpie vom ANKC und somit auch von der FCI anerkannt wurde. Der Working Kelpie ist als reine Arbeitsrasse nicht innerhalb des ANKC geführt und wird somit auch nicht in der FCI gezüchtet. Der Working Kelpie weist auch weiterhin eine sehr große Variabilität hinsichtlich des Aussehens, Körperbaus, der Größe und der Farben auf. So wären z.B. Ohrenstellungen, wie etwa Kippohren oder größere weiße Abzeichen beim Showkelpie zu 100% zuchtausschließend, da sie nicht Standard konform sind. Beim Working Kelpie stellen sie kein Zuchtauslesekriterium dar. Primär wird nach wie vor bei der Auswahl der Zuchtpartner viel mehr Wert auf Leistungsfähigkeit und gute Hüteanlagen des Hundes gelegt.